Flachdachkonstruktionen: Was bei Planung und Auftragsvergabe unbedingt angesprochen werden sollte
Geht es bei der Fehlerfreiheit darum, dass eine Leistung keine Abweichung von vorgegebenen Kriterien und Standards aufweist, so setzt die Mangelfreiheit neben der Erfüllung des Kriteriums der Fehlerfreiheit voraus, dass die erbrachte Leistung in der Lage ist, die beabsichtigte Funktion ohne Einschränkungen für die nach allgemeinem Verständnis zu erwartende Nutzungsdauer zu erfüllen. Mangelfrei im Werkvertragsrecht ist die Leistung also dann, wenn sie für die vertraglich vereinbarte oder, wenn hierzu nichts vereinbart ist, die gewöhnliche Verwendung geeignet ist.
Bauweisen und Nutzungen von Flachdächern unterliegen einem steten Wandel. War es früher ein eherner Grundsatz, Niederschlagswasser zur Vermeidung von Schäden am Gebäude möglichst schnell von Dachflächen abzuführen, indem sie möglichst mit Gefälle ausgeführt und möglichst keine weiteren, den Wasserabfluss behindernden Schichten aufgebracht wurden, so geht der Trend heute — in gewisser Weise unter Missachtung früherer Sicherheitsüberlegungen — dazu, Dachflächen immer stärker als Nutzflächen für Begrünungen, Fotovoltaik und urbane Lebensräume zu nutzen. Soweit möglich, werden diese Nutzungen mehr und mehr erweitert um Maßnahmen zur Speicherung des Niederschlagswassers auf den Dachflächen, mit dem Ziel, Überlastungen von Regenwasserkanälen bei den immer häufiger auftretenden Starkregenereignissen zu verhindern sowie durch Schaffung von Verdunstungsflächen das Stadtklima positiv zu beeinflussen.
Mit Blick auf die Eingangs skizierten Anforderungen an eine Mangelfreiheit führt dies zu der Frage, ob ein Flachdach, das verglichen mit anderen Teilen der Baukonstruktion also ein deutlich erhöhtes Beschädigungsrisiko aufweist, überhaupt über die aus Nutzersicht erwartete Eignung (für eine langfristig beschädigungsfreie Nutzung) verfügt, um selbst bei fehlerfreier Ausführung mangelfrei zu sein. Um diese Frage zu beantworten, scheint es beachtlich, ob der Nutzer, in vorliegenden Fall also der Bauherr, die mit der geplanten Bauweise verbunden Risiken kennen musste und damit als systemgegeben und üblich akzeptiert, wenn er der Planung seines Architekten zustimmt oder der Vertrag mit dem Unternehmer zustande kommt oder ob Planer oder Unternehmer als Fachleute bei Planungsfreigabe oder Vertragsschluss auf diese Risiken hätten verweisen müssen, nämlich dass
- die Abdichtung durch fehlerhafte Verarbeitung und Bauzeit bedingte Einwirkungen undicht sein kann,
- die Abdichtung während der Gebrauchsdauer undicht werden kann und am Ende der werkstofflichen Nutzungsdauer undicht werden wird,
- Undichtheiten wegen der Nutzschichten auf der Abdichtung weder systematisch festgestellt, noch in ihrer Lage geortet werden können,
- durch Undichtheiten umfangreiche Folgeschäden an der Baukonstruktion entstehen können, insbesondere bei feuchtesensiblen Bauweisen,
- die Beseitigung von Leckagen erhebliche Kosten verursachen kann, wenn die Wassereintrittsstelle in den Dachaufbau nicht bekannt und nicht feststellbar ist,
- gerade bei Retensionsdächern die Risiken nochmals erhöht sind, da durch den erhöhten Wassereinstau auf der Abdichtung Wasser deutlich schneller und damit in deutlich größerer Menge in die Konstruktion eindringt, als bei Abdichtungen ohne Wassereinstau,
um sicherzustellen, dass der Bauherr sich in Kenntnis dieser Risiken für die vorgeschlagene Bauweise entscheidet und sie damit als vereinbarte Beschaffenheit akzeptiert.
Der Autor ist Geschäftsführender Gesellschafter der ProGeo Monitoring Systeme und Services GmbH & Co. KG, Großbeeren und Vorstand des Deutschen Fachverbands für Leckortung und Monitoring e.V., Berlin