Flach­dach­kon­struk­tionen: Was bei Planung und Auftrags­vergabe unbedingt angesprochen werden sollte

von Andreas Rödel | 21.06.2024 | Flach­dächer

Ein Vortrag von Professor Zöller von Aachener Institut für Bauscha­dens­for­schung auf dem Flach­dach­ma­nage­ment­kon­gress des IQDF e.V. im März dieses Jahres hat mich aufhorchen lassen. Bauleis­tungen können, selbst wenn sie fehlerfrei ausge­führt worden sind, mangel­be­haftet sein.

Geht es bei der Fehler­freiheit darum, dass eine Leistung keine Abwei­chung von vorge­ge­benen Kriterien und Standards aufweist, so setzt die Mangel­freiheit neben der Erfüllung des Krite­riums der Fehler­freiheit voraus, dass die erbrachte Leistung in der Lage ist, die beabsich­tigte Funktion ohne Einschrän­kungen für die nach allge­meinem Verständnis zu erwar­tende Nutzungs­dauer zu erfüllen. Mangelfrei im Werkver­trags­recht ist die Leistung also dann, wenn sie für die vertraglich verein­barte oder, wenn hierzu nichts vereinbart ist, die gewöhn­liche Verwendung geeignet ist.

Bauweisen und Nutzungen von Flach­dä­chern unter­liegen einem steten Wandel. War es früher ein eherner Grundsatz, Nieder­schlags­wasser zur Vermeidung von Schäden am Gebäude möglichst schnell von Dachflächen abzuführen, indem sie möglichst mit Gefälle ausge­führt und möglichst keine weiteren, den Wasser­ab­fluss behin­dernden Schichten aufge­bracht wurden, so geht der Trend heute — in gewisser Weise unter Missachtung früherer Sicher­heits­über­le­gungen — dazu, Dachflächen immer stärker als Nutzflächen für Begrü­nungen, Fotovoltaik und urbane Lebens­räume zu nutzen. Soweit möglich, werden diese Nutzungen mehr und mehr erweitert um Maßnahmen zur Speicherung des Nieder­schlags­wassers auf den Dachflächen, mit dem Ziel, Überlas­tungen von Regen­was­ser­ka­nälen bei den immer häufiger auftre­tenden Stark­re­gen­er­eig­nissen zu verhindern sowie durch Schaffung von Verduns­tungs­flächen das Stadt­klima positiv zu beein­flussen.

Gut inspi­zierbare frei bewit­terte Abdichtung und visuell nicht mehr inspi­zierbare Abdichtung bei begrüntem Reten­si­onsdach
Zwar wird versucht, den mit diesen Nutzungen verbun­denen Beschä­di­gungs­ri­siken für die Abdichtung durch erhöhte Anfor­de­rungen an die Robustheit der Abdich­tungs­systeme und die Verwendung von Schutz­lagen Rechnung zu tragen, jedoch zeigen die in der Praxis bis heute auftre­tenden Schadens­fälle, dass Flach­dächer trotz dieser Maßnahmen ein hohes Risiko aufweisen, bereits aus der Bauzeit heraus undicht zu sein oder während der üblichen Gebrauchs­dauer undicht zu werden.
Mit Blick auf die Eingangs skizierten Anfor­de­rungen an eine Mangel­freiheit führt dies zu der Frage, ob ein Flachdach, das verglichen mit anderen Teilen der Baukon­struktion also ein deutlich erhöhtes Beschä­di­gungs­risiko aufweist, überhaupt über die aus Nutzer­sicht erwartete Eignung (für eine langfristig beschä­di­gungs­freie Nutzung) verfügt, um selbst bei fehler­freier Ausführung mangelfrei zu sein. Um diese Frage zu beant­worten, scheint es beachtlich, ob der Nutzer, in vorlie­genden Fall also der Bauherr, die mit der geplanten Bauweise verbunden Risiken kennen musste und damit als system­ge­geben und üblich akzep­tiert, wenn er der Planung seines Archi­tekten zustimmt oder der Vertrag mit dem Unter­nehmer zustande kommt oder ob Planer oder Unter­nehmer als Fachleute bei Planungs­freigabe oder Vertrags­schluss auf diese Risiken hätten verweisen müssen, nämlich dass
  • die Abdichtung durch fehler­hafte Verar­beitung und Bauzeit bedingte Einwir­kungen undicht sein kann,
  • die Abdichtung während der Gebrauchs­dauer undicht werden kann und am Ende der werkstoff­lichen Nutzungs­dauer undicht werden wird,
  • Undicht­heiten wegen der Nutzschichten auf der Abdichtung weder syste­ma­tisch festge­stellt, noch in ihrer Lage geortet werden können,
  • durch Undicht­heiten umfang­reiche Folge­schäden an der Baukon­struktion entstehen können, insbe­sondere bei feuch­te­sen­siblen Bauweisen,
  • die Besei­tigung von Leckagen erheb­liche Kosten verur­sachen kann, wenn die Wasser­ein­tritts­stelle in den Dachaufbau nicht bekannt und nicht feststellbar ist,
  • gerade bei Reten­si­ons­dä­chern die Risiken nochmals erhöht sind, da durch den erhöhten Wasser­einstau auf der Abdichtung Wasser deutlich schneller und damit in deutlich größerer Menge in die Konstruktion eindringt, als bei Abdich­tungen ohne Wasser­einstau,

um sicher­zu­stellen, dass der Bauherr sich in Kenntnis dieser Risiken für die vorge­schlagene Bauweise entscheidet und sie damit als verein­barte Beschaf­fenheit akzep­tiert.

Unmit­telbare Detektion einer Beschä­digung bei elektro-resis­tivem Dicht­heits­mo­ni­toring
Mit Blick auf die Frage der bei Planungs­freigabe oder Vertrags­schluss bestehenden Infor­ma­ti­ons­pflichten erscheint es naheliegend, dass Planer und Unter­nehmer als Fachleute ihren Auftrag­geber als Nicht-Fachmann auch darauf hinweisen sollten, welche Möglich­keiten bestehen, die mit der vorge­schla­genen Ausführung verbun­denen Schadens­ri­siken zu minimieren, die zusam­men­ge­fasst vor allem darin bestehen, dass Undicht­heiten bei überbauten Abdich­tungen ohne eine geeignete, engma­schige Dicht­heits­über­wa­chung nicht syste­ma­tisch erkannt und lokali­siert werden können, so dass eine bestim­mungs­gemäße Funktion der Abdichtung als Voraus­setzung für ihre Gebrauchs­taug­lichkeit damit langfristig nicht sicher­ge­stellt ist. Die Bauher­ren­be­ratung im Zusam­menhang mit der Ausführung von Flach­dä­chern sollte also auch das Thema Echtzeit-Monito­ring­systeme umfassen, da nur sie eine schnelle Erkennung und eine gute Lokali­sierung von Abdich­tungs­schäden bei überbauten und genutzten Abdich­tungs­flächen ermög­lichen. Sie stellen hierfür eine praxis­be­währte Lösung dar.
Automa­tische Berechnung der Lecka­ge­po­sition ermög­licht schnelle Besei­tigung der Beschä­digung
Unter­bleibt dieser Hinweis seitens Planer oder Unter­nehmer, ist Streit zwischen den Parteien vorpro­gram­miert, insbe­sondere dann, wenn der Bauherr einen Schaden aufgrund nicht oder zu spät erkannter oder nicht lokali­sier­barer Abdich­tungs­schäden erleidet, der bei Einsatz eines Echtzeit­mo­ni­to­ring­systems nicht oder nicht im einge­tre­tenen Umfang entstanden wäre.

Der Autor ist Geschäfts­füh­render Gesell­schafter der ProGeo Monitoring Systeme und Services GmbH & Co. KG, Großbeeren und Vorstand des Deutschen Fachver­bands für Leckortung und Monitoring e.V., Berlin